Aufsichtsräte in der D-A-CH-Region diskutieren Verhaltenskodex und Kundenorientierung kontrovers

Eine aktuelle Studie des globalen Beratungsunternehmens Denison Consulting zur  Unternehmenskultur, an der Aufsichtsräte börsennotierter und nicht kotierter Unternehmen in Deutschland, Schweiz und Österreich teilnahmen, zeigt Nachholbedarf in den Bereichen Weiterentwicklung, Werte und Kundenorientierung.

Weinfelden

Aufsichtsräte werden zunehmend von reinen Kontrolleuren zu Co-Managern im Hintergrund. Wenn Unternehmen vor wirtschaftlichen Herausforderungen stehen, tiefgreifende Veränderungen umzusetzen sind oder ein Skandal den Leumund des Unternehmens ins Wanken bringt, schlägt die Stunde des Aufsichtsrates als Überwachungsorgan der Geschäftsführung. Doch stimmt das Verständnis der stillen Co-Manager für Werte, Kundenbedürfnisse oder Weiterentwicklungsbedarf immer mit denen des Unternehmens überein? Wie sehr sind Aufsichtsräte tatsächlich Teil der Unternehmenskultur in Deutschland, Österreich und der Schweiz? Die Denison-Studie zeigt: Jeder dritte Sparringspartner von Vorstand und Eigentümern in der D-A-CH-Region glaubt nicht, dass die Vision seines Gremiums Begeisterung und Motivation für die Mitarbeitenden schafft. Nur gut die Hälfte (53 %) findet es einfach, bei schwierigen Themen einen Konsens zu finden. Länderübergreifend gibt es zudem nur 58 % Zustimmung für ein genaues Verständnis der Kundenbelange und dafür, dass ein Verhaltenskodex als ethische Richtlinie fürs Handeln dient, und nur bei 31 % der Befragten wird kontinuierlich in die Fähigkeiten des Aufsichtsrats investiert. Damit sind Kundenorientierung, Werte und Weiterentwicklung jene Studienbereiche, die den größten Handlungsbedarf aufweisen.

Es mangelt an Verhaltenskodex, Fortbildung und Kundenorientierung

Als betriebliche Säulen spielen diese Bereiche jedoch eine wichtige Rolle für die Performance des Kontrollgremiums. „Obwohl bei Auswahl und Nominierung eines Aufsichtsratsmitglieds ein starkes Wertegerüst, Integrität und gefestigte ethische Grundsätze wichtige Entscheidungskriterien sind, verlieren sie bei der tatsächlichen Verantwortung für ein Unternehmen offensichtlich an Relevanz“, sagt Anja Fiedler, Managing Director bei Denison Consulting und selbst im Aufsichtsrat eines deutschen Unternehmens. „Dabei sollte der Aufsichtsrat die Grundwerte der Organisation vertreten, vorleben und anderen dabei helfen, dasselbe zu tun.“ Im Ländervergleich bestätigen immerhin 71 % der deutschen Aufsichtsräte und 74 % ihrer Schweizer Kollegen, das ihr Handeln durch ein klares und beständiges Wertesystem geregelt sei. In Österreich tun dies mit 54 % nur gut die Hälfte.

Auch das kollektive Lernen im Unternehmen bietet offenkundig noch Luft nach oben: Im Durchschnitt finden nur 61 % der Befragten, dass bei ihnen Innovation gefördert wird. Bereits existierende Weiterbildungsmaßnahmen zeichnen länderübergreifend ein eher unausgewogenes Bild. Während sich manche Unternehmen darauf beschränken, ihren Aufsichtsrat bei wichtigen Änderungen und zu Corporate Governance-Themen zu informieren, bieten andere ihrem Kontrollgremium neben regelmäßigen Fachtagungen und Schulungen auch Coaching in moderner Unternehmensführung. In Deutschland liegt die Innovationsförderung mit 57 % knapp unter dem Länderdurchschnitt, dafür wird immerhin bei 38 % der Befragten in die Fähigkeiten des Aufsichtsrats investiert. Mangelnde Investitionen in die Weiterentwicklung sieht Anja Fiedler kritisch: „Können wir uns das leisten in einer Welt, die sich immer schneller verändert? Unsere Aufgabe ist es heute – egal, in welchem Bereich man tätig ist und welche Verantwortung man hat – zunächst kontinuierlich an der eigenen Transformation zu arbeiten, um überhaupt in der Lage zu sein, eine Transformation im Unternehmen zu leiten, zu betreuen oder zu forcieren. Die Studie hat gezeigt, dass sich Aufsichtsräte hier auch mehr Input seitens der Unternehmen wünschen.“

Einer der entscheidenden Faktoren für profitables Wachstum ist die externe Orientierung am Markt und am Wettbewerbsumfeld, die Kundenorientierung wiederum hilft bei der Entwicklung von Innovationen. Zwar erachten fast Dreiviertel (74 %) der Befragten ihre Reaktion als Aufsichtsrat auf die Konkurrenz und Veränderungen im Geschäftsumfeld als angemessen, doch es hapert am Verständnis für die Wünsche und Anliegen der Unternehmenskunden. „Wie will ein Aufsichtsrat eine valide Strategie entwickeln, ohne in der Tiefe die Kundenbedürfnisse zu verstehen?“, fragt Fiedler. „Auch wenn es nicht in seinen Aufgabenbereich fällt, den direkten Kundenkontakt zu suchen, bedarf es einer Diskussion, wie sich Kundenverständnis und -orientierung herstellen und pflegen lassen, um der strategischen und wirtschaftlichen Verantwortung des Aufsichtsrats gerecht zu werden.“

Bei Strategie, Zielen und Übereinstimmung herrscht länderübergreifend Konsens im Aufsichtsrat

Was den Bereich Strategische Ausrichtung, Unternehmensziele und -vision angeht, so lässt sich länderübergreifend feststellen, dass die Kommunikation zwischen Aufsichtsrat und Geschäftsführung offenkundig gut funktioniert. Mit fast 100 % Zustimmung spiegeln hier vor allem die Aufsichtsräte in Deutschland und Schweiz ein Bild des Konsens wider, was Zielsetzung und Klarheit darüber angeht. In Österreich lag die Zustimmung bei 87 %. Einig sind sich die Aufsichtsräte im Länderdreieck auch bezüglich der Abstimmung von Zielen und gemeinsamen Perspektiven: Hier gibt es hohe Zustimmung, ebenso wie für die Förderung von Eigenverantwortung.

Österreichische Aufsichtsräte sehen mangelnde Integration in Unternehmenskultur kritisch

Besonders große Defizite in der Berücksichtigung betrieblicher Säulen wie Kundenorientierung oder Weiterentwicklung sehen indes die österreichischen Studienteilnehmer. Knapp die Hälfte (49 %) von ihnen vermisst Investitionen in die eigenen Fähigkeiten seitens des Unternehmens und immerhin knapp ein Viertel (24 %) der Aufsichtsratsmitglieder in Österreich bemängelt die Arbeitsorganisation, die nicht jedem Mitglied ermögliche, den Zusammenhang zwischen der eigenen Rolle im Gremium und den Unternehmenszielen zu erkennen. Was die Kundenorientierung angeht, so hatte nur etwas weniger als die Hälfte (46 %) das Gefühl, die Wünsche und Anliegen der Kunden genau zu verstehen. Damit sind die insgesamt 85 Befragten aus Österreich noch kritischer als ihre Kollegen und Kolleginnen aus den Nachbarstaaten. Die Studie wirft länderübergreifend die Frage auf, ob die Unternehmen der D-A-CH-Region ausreichend auf die Herausforderungen der VUCA-Welt, auf Digitalisierung, Cyber-Kriminalität oder auch auf althergebrachte, aber sich ständig wandelnde Größen wie eben Consumer Insights / Kundenbedürfnisse vorbereitet und dafür gerüstet sind?

Zur Studie:

Die Studie „Die Rolle der Unternehmenskultur im Aufsichtsrat“, der eine Pilotstudie im Oktober/November 2018 vorausgegangen war, wurde im September 2019 in der D-A-CH-Region mit 215 Teilnehmern durchgeführt, auf Basis des Modells zur Unternehmenskultur nach Denison. Gemäß dem Denison-Modell gibt es vier Dimensionen, die eine erfolgreiche Unternehmenskultur ausmachen: Mission, Konsistenz, Anpassungsfähigkeit und Mitwirkung. Die Teilnehmer der Studie, davon 28 % Aufsichtsratsvorsitzende, wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und bekleiden Aufsichtsratsmandate aus den folgenden Industrien: Chemische Industrie, Biotech/Bioscience, Konsumgüter, Bildung, Energiesektor, Financial Services, Health Care, Informatik / IT, Produzierendes Gewerbe, Medien, Unterhaltungsbranche, Pharma, Telekommunikation, Transportwesen, Consulting, Bauindustrie, Immobilien, Maschinenbau.

Zu Denison Consulting:

Denison Consulting, mit seinem europäischen Hauptsitz in Weinfelden (Schweiz), ist ein globales Beratungsunternehmen, das Organisationen durch kundenorientierten, innovativen Kulturwandel und Führungskräfteentwicklungs-Lösungen unterstützt. Denison Consulting ist eine der weltweit führenden Experten, die Organisationskultur, Wandel und Leadership mit finanziellen Geschäftsergebnissen verknüpft. Mehr Infos unter www.denisonconsultingeurope.com

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